Strukturierte Klassenintervention

(Modell in Anlehnung an NOVA, National Association for Victims Assistance)

Wenn ein Schüler/eine Schülerin oder auch eine Lehrperson tödlich verunglückt ist, sowie bei allen anderen Krisenereingissen (mit entsprechender Abwandlung) kann das folgende strukturierte Modell sehr leicht  umgesetzt werden.


Wichtig: Interventionen in einer Klasse sind umgehend und so rasch wie möglich nach dem Bekanntwerden zu setzen! (siehe auch Kapitel Tod von Schüler:innen) 

Ablauf der strukturierten Intervention

  • Sitzkreis wird vorbereitet (noch bevor alle Schüler:innen in der Klasse sind)
  • Ein Gegenstand /Tuch, Schlüsselanhänger oder ein anderes Symbol wird bereitgestellt, sodass immer nur diejenige Person spricht, die das Symbol in der Hand hat – damit hat man während der Intervention einen Überblick darüber, ob sich jemand öfters nicht zu Wort meldet (hilfreich ist es auch, die Schüler:innen der Reihe nach sprechen zu lassen).
  • Sollte sich jemand bei dieser Intervention gar nicht einbringen, bitte danach in einem Einzelgespräch an einem ruhigen Ort nachfragen, wie es dieser Person denn geht (könnte ein Zeichen dafür sein, dass jemand mit der Situation gar nicht zurecht kommt). 
  • Zwei Personen sind für die Durchführung der strukturierten Intervention notwendig: ein/e Moderator:in (Lehrperson) und eine person, die mitschreibt (Lehrperson)

Runde 1 - Einstieg

Anfangsstatement durch die Lehrperson kann z.B. sein:
Es tut mir Leid, ich muss euch sagen, dass ….
Wie manche von euch bereits gehört haben, X ist gestorben, das tut mir sehr Leid ..

Klärung des Rahmens
„Wir machen das jetzt hier, da wir wissen, dass tragische Ereignisse ungewöhnliche Reaktionen auslösen können – ich möchte schauen, wie es euch geht bzw. wie ich euch unterstützen kann…“

Verschwiegenheit
„Alles, was hier besprochen wird, bleibt in diesem Raum und wird nicht nach außen getragen“

Verhalten
„Es gibt keine blöden, abwertenden Bemerkungen oder Gelächter gegenüber den Äußerungen eurer Mitschüler:innen“
Jeder darf etwas sagen, niemand muss etwas sagen (sagt eine Schüler:in in keiner Runde etwas, ist es notwendig, in einem Einzelgespräch nachzufragen)

Runde 2 – Sinneseindrücke/Wahrnehmungen („was war?“)

Was habt ihr gemacht, als ihr von dem Ereignis erfahren habt? Wie habt ihr davon erfahren? Wie habt ihr reagiert? (Angaben werden stichwortartig - z.B. auf Flip-chart - mitgeschrieben)
Klarstellen: „Übliche Reaktionen auf außergewöhnliche Ereignisse“

Runde 3 –Traumatische Reaktionen („was habt ihr seitdem getan?“)

„Was habt ihr seither getan? Was war für euch besonders hilfreich? Habt ihr etwas gemacht, das euch geholfen hat? Was war das?“ (Angaben werden stichwortartig durch eine Lehrperson mitgeschrieben)

Runde 4  – Allfälliges

„Ist jemandem noch etwas besonders wichtig?“
Jeder, der möchte, kann sich noch zu Wort melden und angeben, falls ihm/ihr noch etwas wichtig ist (Angaben werden stichwortartig durch eine Lehrperson mitgeschrieben)

Runde 5 – Zusammenfassung (durch die/den Mitschreibende:n)

Zusammenfassung der gezeigten Reaktionen/Symptome „Also wir sehen, es gibt viele unterschiedliche Reaktionen und Symptome wie z.B. Weinen, Rückzug, etc."

Wichtig ist die nochmalige Klarstellung, dass dies alles „übliche Reaktionen auf außergewöhnliche Ereignisse“ sind

„Wir sehen auch, dass jeder von uns unterschiedliche Dinge gemacht hat, die ihm/ihr geholfen haben …. z.B. Sport, Musik, mit jemandem darüber sprechen, Freunde treffen, etc"

Runde 6 – Zukunftsperspektive („was können wir für uns/in der Klasse machen, damit es uns besser geht“?)

Eine offene Runde machen lassen, SchülerInnen allen Alters haben hervorragende Ideen dazu! (aber bitte regulierend eingreifen, wenn die Vorschläge über das Ziel hinausschießen) – dies können Vorschläge sein, wie ein Foto aufstellen, Kummerkasten, gemeinsamen Brief an die Eltern schreiben, Fürbitten verfassen, Gedenkzettel schreiben und anderes (siehe auch Trauerrituale in der Klasse - Angaben werden stichwortartig mitgeschrieben)

Es muss auch besprochen werden, wie lange Erinnerungen aufgestellt bleiben bzw. was danach damit geschieht. Auch diesbezüglich können sich die Schüler:innen einbringen. 

Sinnvoll ist es, dass Erinnerungen (z.B. ein Bild in der Klasse) nur so lange aufgestellt bleibt, bis ein Halbjahr oder ein Schuljahr vorbei ist – nicht länger!

Runde 7 – Zusammenfassung (durch die mitschreibende Person)

Zusammenfassung der Vorschläge, was in der Klasse für  den/die Mitschüler:innen getan wird und wer wofür bei der Umsetzung sinnvoller Ideen verantwortlich ist.

Auch von Seiten der begleitenden Lehrpersonen können Vorschläge eingebracht werden bzw. ist auch das eine oder andere Mal regulierendes Eingreifen notwendig. Vorschläge werden auf einem Flipchart-Papier notiert und im Konferenzzimmer bis zur erledigten Umsetzung aufbewahrt. 

Psychohygiene für moderierende Lehrpersonen

Nach der Intervention ist es wichtig, dass auch Lehrpersonen auf ihre eigene Psychohygiene schauen, gemeinsam (evtl. mit dem Krisenteam) besprechen, wie es ihnen ergangen ist und ob irgendwo noch Unterstützungsbedarf besteht. 

Eigene Stressbewältigungsmechanismen sollten aktiviert werden (z.B. auf Rituale zurückgreifen, Sport ausüben, sich Hobbies widmen, Supervision in Anspruch nehmen, es sich gut gehen lassen und eine Möglichkeit für sich selbst finden, das Geschehen zu verarbeiten). 

Auch eine Kurzbesprechung im Lehrerkollegium ist hilfreich mit eventueller Aufgabenverteilung (Deutschlehrerin schreibt mit der Klasse einen Brief an die Eltern/das Kind, Religionslehrer:in erarbeitet Fürbitten, GW-Professor:in macht ein Projekt zum Thema Hochwasser oder Schulleitung organisiert die Durchführung eines Erste-Hilfe-Kurses für die Schüler:innen).

Supervision/Coaching für Lehrpersonen: